„Wer weiß denn schon, wie viele Arbeitsschritte nötig sind, um ein T-Shirt, ein Spannbetttuch oder überhaupt ein Stück Stoff zu produzieren?“ oder „Es ist quasi unmöglich, den wahren Preis unserer Produkte zu erzielen.“ Themen rund um Wert und Wertschätzung ihrer Erzeugnisse beschäftigen die allermeisten Textilunternehmen in Deutschland. Nur: Eine Lösung hat kein Unternehmen, schon gar nicht für sich allein. Dabei eint die Firmen vieles: Sie sind oft inhabergeführte Familienunternehmen, meist verwurzelt in der Region, mit Verantwortungsbewusstsein für Mitarbeiter und Standort.
Nachhaltigkeit als strukturelle Gemeinsamkeit
An diesen Gemeinsamkeiten will Andreas Merkel, Geschäftsführer des Garnherstellers Gebr. Otto ansetzen. Zudem, davon ist Merkel überzeugt, könnten die Mittelständler qua ihrer Struktur gar nicht anders als nachhaltig zu agieren – und zwar weit über die Herstellung ihres Produkts hinaus.
Das gelte es zum Vorteil der Konsumenten einzusetzen. Zusammen mit dem Arbeitgeberverband Südwesttextil e.V. und der Nachhaltigkeitsberatung Sustainable Thinking verfolgt Gebr. Otto deshalb „Regio:Tex“. In einem neuen Format, einem Thinking Circle, werden rund zehn Unternehmen Maßnahmen entwickeln, um ein größeres Bewusstsein für regional hergestellte Textilien zu entwickeln.
Dieselben Herausforderungen für alle
Zur Auftaktveranstaltung von Regio:Tex bei Gebr. Otto am 21. Oktober 2021 kamen knapp 40 Gäste aus dem südlichen Baden-Württemberg nach Dietenheim. In seiner Begrüßung zog Andreas Merkel den Vergleich zu Swiss Textiles. Ein solcher Schulterschluss der Unternehmen entlang der textilen Kette sei seine Vision. Schließlich seien die Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten, hohe Energiepreise und teure Transportwege für alle schwierig. Aber: „Ich versuche mich nicht zu beklagen, sondern die Chancen zu sehen. Das Bewusstsein der Menschen für das Thema Nachhaltigkeit ist da. Ich werde häufig angesprochen und gefragt, woran regionale Textilien zu erkennen und wo sie zu kaufen sind. In der Vermarktung von regionalen Textilien steckt viel Potenzial, davon bin ich fest überzeugt.“
„Die Textilindustrie braucht eine Lobby“
Nach der Begrüßung von Südwesttextil Hauptgeschäftsführer Oliver Dawid moderierte Sina Wans von Sustainable Thinking durch die weitere Veranstaltung. In Arbeitsgruppen arbeiteten die Gäste die gemeinsamen Schwierigkeiten und Lösungsideen heraus. Eine offene Frage blieb, ob von einem Endprodukt oder von Komponenten entlang der Kette auszugehen sei. Auch die Herausforderungen in Zusammenhang mit gesetzlichen Vorgaben gaben Raum für Diskussion. Breite Zustimmung fand indes ein Statement: „Die Textilindustrie in Deutschland braucht eine größere Lobby.“
Startschuss für Regio:Tex im Januar
Bis zum 1. Dezember läuft die Rückmeldefrist für interessierte Unternehmen, die bei Regio:Tex an einem Strang ziehen wollen. Die Arbeit beginnt dann im neuen Jahr. Ab Januar treffen sich die Partner monatlich, um in einem Thinking Circle einer Lösung näher zu kommen – für mehr Wertschätzung und Bewusstsein für den Wert regionaler Textilprodukte.