Regelmäßig, zweimal im Jahr, trifft sich der technische Ausschuss von Gesamtmasche e.V. Gastgeber für die Herbsttagung am 13. November 2024 war Gebr. Otto in Dietenheim. Der Fokus des Programms lag auf technischen Lösungen, die eine größere Nachhaltigkeit in der Textilproduktion ermöglichen.
Andreas Merkel, Geschäftsführer von Gebr. Otto begrüßte die Gäste und stellte die Baumwollfeinzwirnerei, wie das Unternehmen offiziell heißt, vor. Lächelnd bemerkte er: „Auf dem Namen ‚Baumwollfeinzwirnerei‘ liegen gefühlt mehrere Zentimeter Staub“. Nichtsdestotrotz entspricht er weiterhin der Realität: Gebr. Otto stellt Garne und Zwirne her, letztere bis zu zehnfach gezwirnt. Dabei setzt Otto auf Transparenz, Nachhaltigkeit in Hinblick auf Produkte und Produktion sowie auf kurze Wege zu regionalen Partnern.
Felde Fibres beginnt auf dem Feld
Gastgeber Andreas Merkel übergab nach seiner Einleitung Wort und Bühne an die erste Referentin des Tages, Martina Finken von Felde Fibres. Gemeinsam mit Felde arbeitet Gebr. Otto an der Entwicklung eines Garns aus Baumwolle und Hanf. Die Beweggründe dafür liegen auf der Hand: Im Gegensatz zu Baumwolle ist Hanf weit weniger durstig. Außerdem gedeiht er in Deutschland – und das nicht nur während des Sommers. Wie Martina Finken ausführte, setzt Felde Fibres auf regionalen, deutschen Winterhanf. Das bedeutet, dass die Felder nach der Ernte im Herbst mit Hanf bepflanzt werden, der wiederum im Januar erntereif ist. Für die Weiterverarbeitung eignen sich die kleineren Winterpflanzen sehr gut. Felde arbeitet mit Bauern in Brandenburg zusammen, in der Nähe zum Firmensitz in Neuruppin.
Neu ist das Aufschlussverfahren. Dabei entstehen einzelnen, elementare Fasern. Sie werden gekürzt, also „cottonisiert“, denn mit 8 bis 12 Zentimetern sind sie deutlich länger als Baumwollfasern. Trivial ist das Verspinnen dieser Fasern trotzdem nicht, wie Andreas Merkel eingangs erläutert hatte: „Als Baumwollspinnerei sind unsere Bedingungen – Temperatur, Luftfeuchtigkeit und so weiter – in der Produktion optimal auf Baumwolle ausgelegt. Um die Staubentwicklung zu begrenzen, erfordert Hanf allerdings eine deutlich höhere Luftfeuchtigkeit, die wiederum bei der Baumwolle zu Verklebungen führen kann.“
Auf Betriebsführung folgen Maultaschen
Bereits als zweiter Punkt auf der Agenda stand die Betriebsführung durch die Spinnerei von Gebr. Otto. Die Gäste durften im Balzheimer Werk eine topmoderne Spinnerei kennenlernen: Gebr. Otto hat in den vergangenen Jahren alle Ringsinnmaschinen ausgetauscht und in die Modernisierung den Maschinenpark mehrere Millionen Euro investiert. Auf dem Dach des Gebäudes ist zeitgleich ein fußballplatzgroßer Solarpark entstanden, der jährlich rund 930.000 kWh an Strom produziert. Gemeinsam mit der Energie aus Wasserkraft – die nutzt Gebr. Otto seit 1901 – beschert die Energie aus regenerativen Quellen den Otto-Produkten einen schlanken CO2-Fußabdruck.
Beim anschließenden Mittagessen durfte die schlanke Linie indes lieber draußen warten: Schwäbische Maultaschen mit Salat, geliefert von einer lokalen Metzgerei, haben noch jeden Gast bei Gebr. Otto von einem zweiten Teller überzeugt 😉.
Vom Recycling zum Upcycling: eeden stellt Vision zur Circular Economy vor
Ida Maria Brieger von der eeden GmbH stellte nach der Mittagspause die Vision des Start-ups vor, das sich mit Textilrecycling beschäftigt und Lösungen für eine Circular Economy sucht. Denn, so war sich die Referentin sicher: Recycling ist nicht nur durch Regulatorik motiviert, sondern ist Unternehmen in der Textilindustrie ein echtes Anliegen. Schließlich werde weltweit gesehen jede Sekunde eine LWK-Ladung Alttextilien verbrannt oder deponiert.
Das Start-up entwickelt daher eine Lösung zum chemischen Upcycling. Das Verfahren soll Textilien aus Baumwolle, Polyester und Poly-Baumwolle in hochwertige Rohstoffe für die Herstellung neuer Textilfasern umwandeln. Als Herausforderungen nannte sie insbesondere die Vielfalt des Rohstoffes, sprich der Alttextilien, die teilweise Bestandteile aufweisen, die nirgends vermerkt sind und den Prozess kompliziert machen.
Strickmode on demand von ito ito
Das Start-up ito ito von Friedrike und Florian Pfeffer ist eigentlich ein Software-Unternehmen. Für ihre Strickkollektionen on-demand setzen die beiden Gründer auf das Shared-Factory-Prinzip. Der Kunde erstellt mittels einer Plug & Play-Lösung maßgeschneiderte Strickprodukte. Das System lässt sich in bestehende Online-Shops integrieren und erlaubt es Kunden, ihr individuelles Produkt zu erstellen, selbstverständlich in perfekter Passform. In einer Shared Factory wird der digitale Entwurf Realität. Die Rohstoffe, die verwendet werden, insbesondere die Garne, sind von ito ito geprüft, so dass sie einen möglichst geringen Einfluss auf die Umwelt haben.
Meiner, deiner, unserer: Strickchic will den Segelpulli „Blauen Peter“ maßschneidern
Gerald Rosner von Strickchic hatte höchstwahrscheinlich die weiteste Anreise zur Veranstaltung nach Dietenheim. Sein Unternehmen, die Strickchic GmbH aus Apolda konnte außerdem unter allen Anwesenden – inklusive des Gastgebers selbst – auf die längste Unternehmensgeschichte zurückblicken: Seit 1896 besteht die Gründung von Rosners Ururgroßvater.
Ein Leitprodukt des Unternehmens ist heute ein Segelpulli, unter Eingeweihten als „Troyer“ bekannt. Diesen wollte Gerald Rosner möglichst kundenindividuell, sprich passgenau ausliefern: „Schließlich hat ein Käufer längere Arme, eine zweite Trägerin ist eher untersetzt.“ Alexander Mirosnicenko von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung, Denkendorf (DITF) hat daraufhin verschiedene digitale Tools zur individuellen Größenbestimmung getestet. Sein Fazit: Wirklich überzeugend ist noch keines. Bis auf Weiteres geben die gängigen Konfektionsgrößen den besten Anhaltspunkt – oder gar die Kunden von sich aus, wenn sie ein Produkt wie den Troyer bestellen, der meist ein lebenslanger Begleiter sein darf.
Rundum gelungene Veranstaltung
Eric Jürgens von Groz-Beckert, Vorsitzender des Technischen Ausschusses der Gesamtmasche e.V., schloss die Veranstaltung. Er bedankte sich bei allen Rednern für ihre Einblicke und die Bereitschaft, die vielen Fragen der Zuhörer zu beantworten. Sein spezieller Dank ging an Anja Barth, die die Organisation seitens Gesamtmasche übernommen hatte. An den Gastgeber gerichtet sagte Jürgens: „Auch da wissen wir, dass das stets prima funktioniert.“
Andreas Merkel begrüßt die Gäste im Schulungscenter von Gebr. Otto.
Martina Finken von Felde Fibres berichtete über die Vorzüge von Hanf und erläuterte, warum sich insbesondere Winterhanf für die textile Verarbeitung eignet.
Bei der Betriebsführung konnten die Besucher einen Eindruck von einer topmodernen Spinnerei gewinnen.
Ida Maria Brieger von der eeden GmbH stellte die Vision des Start-ups vor, das sich mit Textilrecycling beschäftigt und Lösungen für eine Circular Economy sucht.
Friederike Pfeffer von ito ito stellte ihre Plug & Play-Lösung maßgeschneiderte Strickprodukte vor.
Gerald Rosner von Strickchic hatte höchstwahrscheinlich die weiteste Anreise zur Veranstaltung nach Dietenheim. Im Gepäck hatte er den Segelpulli "Troyer", den er in Online-Shops am besten maßgeschneidert anbieten möchte.
Alexander Mirosnicenko von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung, Denkendorf (DITF) hat verschiedene digitale Tools zur individuellen Größenbestimmung getestet. Sein Fazit: Wirklich überzeugend ist noch keines.