„Die Kameradschaft unter den Kollegen“: Warum für Werner Lehnert nach 44 Jahren Färberei bei Otto noch lange nicht Schluss ist

05.07.2024

Einmal Otto, immer Otto: Bei Werner Lehnert ist das keine Redewendung, sondern Tatsache. Zum Unternehmen kam er vor 44 Jahren – und ist bis heute geblieben. Zwar ist er mittlerweile eigentlich im Ruhestand. Trotzdem sehen ihn seine (ehemaligen) Kollegen und Kolleginnen in der Färberei regelmäßig, denn er springt immer dann ein, wenn ein zusätzliches Paar Hände und viel Erfahrung gefragt sind.

Seit wann bist Du bei Gebr. Otto und wie kamst Du zum Unternehmen?
Ich habe am 1. März 1980 bei Gebr. Otto angefangen. Meine Ausbildung als Färber hatte ich in einem anderen Dietenheimer Betrieb absolviert. Das war ein Nähgarnhersteller, den später die Amann-Gruppe übernommen hat. Dort hatte ich fast ausschließlich mit Polyester-Färbung zu tun, was mir nach ein paar Jahren zu einseitig wurde. Über meinen Sport – Fußball und später Sportkegeln – kam ich mit vielen Otto-Mitarbeitern zusammen, war auf dem einen oder anderen Firmenfest. Ich hatte das Gefühl, dass es mir dort gefallen könnte und habe mich dann beworben.

Das hat sich offenbar bewahrheitet, seit 1980 sind ja einige Jahre ins Land gegangen! Was sind Deine Aufgaben? Und haben die sich im Lauf der Zeit verändert?
Anfangs habe ich in der Produktionsstelle gearbeitet. Zu dem Zeitpunkt waren noch zwei Färbereimeister da. Als die beiden in Rente gingen, habe ich die Schichtführung der Färberei übernommen. Diese Position hatte ich inne, bis ich Anfang 2024 in den Ruhestand ging.
Die Aufgaben als solche haben sich über die Jahre eigentlich kaum verändert. Schon in meiner Anfangszeit galt es, Rezepte für die Produktion zu erstellen, die Färbung zu überwachen und am Ende die Kontrolle durchzuführen. Das sind dieselben Dinge, die einen Färber auch heute beschäftigen.
Verändert haben sich die Mittel, die wir einsetzen. Ganz auffällig ist das im Bereich der Prüfung. Da gab es früher nicht die technische Ausstattung, die wir heute in unserem Labor haben. Oft musste ich mit bloßem Auge prüfen, ob unser Färbeergebnis einer Partie mit dem Muster des Kunden übereinstimmte, oder ob wir einen Farbzusatz benötigen. Damals bekam man in der Ausbildung regelmäßig Muster vorgelegt, für die wir Rezepte erstellen und nachher das Ergebnis prüfen mussten, alles mit bloßem Auge.

Gibt es sonst noch technische Neuerungen, die Du in Deinen 40 Berufsjahren miterlebt hast?
Heute können wir größere Mengen auf einmal färben. War vor 30 Jahren in einem Färbeapparat bei 800 Kilo Schluss, sind wir heute bei einer Tonne. Die Spulen sind leichter geworden, wir bekommen mehr Spulen auf einen Spieß.
Als ich angefangen habe, wurde in verschiedenen Kesseln gefärbt und viele Arbeitsschritte mussten wir selbst durchführen. Hierzu gehörte das Zufügen von Kalt- oder Warmwasser, Chemikalien und Dampf. Heute läuft alles in einem geschlossenen Prozess in einem Apparat ab, da die Produktionsabläufe über die Steuerung in der Farbküche abgearbeitet werden. So braucht es kaum einen manuellen Eingriff. Deshalb können wir heute in der Färberei mit einem kleineren Team arbeiten als früher.

Hat sich die Nachfrage nach Farbgarnen auch geändert?
Mein Eindruck ist, dass hochwertige Bekleidungshersteller weiterhin Farbgarne nachfragen.

Du hast vorher erwähnt, dass Du 2024 in Rente gegangen bist. Trotzdem erreiche ich Dich heute in der Färberei bei Otto. Wie kommt das?
Ich arbeite als Springer. Wenn jemand ausfällt oder Urlaub ansteht, springe ich ein, derzeit etwa einmal pro Woche. Wieviel ich arbeite, hängt natürlich auch von der Auftragslage ab.
Ich freue mich sehr über dieses Arrangement. So roste ich nicht ein, kann mein Wissen und meine Erfahrung einbringen und bin weiterhin unter meinen Kollegen. Die Kameradschaft am Arbeitsplatz habe ich immer als besonders empfunden. Sonst wäre ich heute auch nicht mehr hier!

Woran erinnerst Du Dich gerne, wenn Du an Deine Zeit bei Otto denkst?
Ich denke gerne an Herrn Otto zurück. Von ihm habe ich immer viel Rückhalt bekommen. Wenn Fragen da waren, konnte ich auf ihn zugehen. Das gehört auch zu dem guten Miteinander, das ich bereits erwähnt habe.
In Sachen „Kundengeschichte“ ist mir die Folgende in Erinnerung geblieben: Für einen Kunden in Reutlingen färbten wir Garn in einem hellen Gelb. Die Firma, eine Strickerei, stellte unter anderem Polo-Shirts her, für die eben auch unsere Garne verwendet wurden. Jeden Monat lieferten wir zwischen zehn und 15 Tonnen Garn an diesen Kunden, auch Garne in anderen Pastelltönen.
Eines Tages flatterte uns eine Reklamation ins Haus: Der Gelbtöne stimmten nicht überein, so der Kunde. Wir versuchten, den Fehler zu finden, haben unsere Rezepturen geprüft und Ergebnisse nachgemessen. Als uns der Kunde ein Muster schickte, kam Licht in die Sache. Weil das Unternehmen den Kragen und den Piqué-Stoff seiner Polo-Shirts mit Garnen desselben Farbtons herstellte, wirkten der Kragen und die Armbündchen dunkler als das restliche Shirt. Das liegt daran, dass Kragen und Bündchen dichter gestrickt sind als das Piqué. Wir haben die Farbe fürs „Kragengarn“ angepasst – es etwas heller gemacht – so dass am Ende wieder alles einheitlich war. Der Kunde war zufrieden.

Wenn Du nicht in der Färberei bei Otto bist, wo findet man Dich dann?
Jetzt im Sommer bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs und gehe baden. Außerdem bin ich Bambini-Trainer beim Fußball und ein gern gesehener Gast in den Dietenheimer Wirtschaften.

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