“Sei nicht ungeschickt, geh zum Otto”: Max Nestle über den Rat seines Onkels und ein Berufsleben bei Otto

16.02.2024

Fast 50 Jahre seines Lebens hat Max Nestle bei und mit Gebr. Otto verbracht. Als Lehrling zum Textilveredler hat er im Herbst 1977 begonnen, als Versandleiter hat er sich Ende Januar 2024 verabschiedet. Über die Jahrzehnte dazwischen, nicht nur bei Otto, hat Max Nestle einiges zu berichten. Seine Stelle als Versandleiter übernimmt ab Februar sein langjähriger Kollege Ali Barlay.

Wann und in welcher Position haben Sie bei Otto angefangen?

Angefangen bei Otto habe ich am 1. September 1977. Eigentlich wollte ich Kaufmann werden, allerdings kam da mein Onkel dazwischen. Der sagte: ‘Sei nicht ungeschickt, geh zum Otto, mach eine Ausbildung.’ Mein Onkel hatte Kontakte zu Alexander Otto, dem damaligen Geschäftsführer. So kam ich zu einer Ausbildung in der Färberei bei Gebr. Otto. Die Ausbildung hieß damals Textilveredler, heute würde man sagen Produktveredler. Nach Abschluss der Ausbildung musste ich zum Bund.

Dann habe ich geheiratet und die Gastwirtschaft meiner Eltern übernommen. Gleichzeitig habe ich weiterhin Vollzeit in der Färberei bei Otto gearbeitet. Die Schichtarbeit ließ sich mit der Gastronomie nicht vereinbaren, so dass ich zu meinem Vorgesetzen gegangen bin und um einen anderen Einsatzbereich gebeten habe. So kam ich in die Packerei.

Wie lange haben Sie diese zwei Vollzeitjobs gewuppt, Gastronomie und Packerei?

Fünf Jahre haben wir das parallel gemacht, meine Frau und ich, aber wir mussten uns entscheiden. Irgendwann wollten wir schließlich eine Familie. Als die Entscheidung getroffen war, die Gastwirtschaft aufzugeben, haben wir uns richtig gefreut auf die freie Zeit mit nur einem Beruf, haben Pläne geschmiedet. Während wir die Gaststätte betrieben haben, gab es keinen freien Tag. Wir haben mal versucht, einen Ruhetag einzuführen, aber an einem Tag kam der Gesangverein, am anderen der Schützenverein. Auch jedes Fest, jede Hochzeit war bei uns. Das war schon eine schöne Zeit.

Zurück zu Otto: Was ist Ihre Position heute und welche Aufgaben haben Sie?

Ich bin Versandleiter, kümmere mich um die Disposition und erledige Aufträge. Ich stelle Lieferungen zusammen, erstelle Versandpapiere. Außerdem in mein Aufgabengebiet fallen das Einbuchen und Einlagern von Produkten ins Versandlager oder ins hauseigene Lager. Rund 80 Prozent der Otto-Produkte werden direkt rausgeschickt, nur ein Bruchteil wird eingelagert. Einige Kunden wollen, dass wir für sie eine Art Lager betreiben, mit den Produkten, die sie regelmäßig bestellen. Ein eigenes Lagerprogramm haben wir auch, das umfasst unsere Core-Garne sowie gängige Spezifikationen. Dazu gehören Nm 34 und Nm 50 in schwarz und weiß. Wenn unsere Ware verschickt wird, läuft das in vier von fünf Fällen über eine Spedition, ein Fünftel der Aufträge machen wir mit dem eigenen LKW.

Wie haben sich Ihre Aufgaben im Lauf der Zeit geändert?

Speziell das Handling hat sich verändert. Anfangs haben wir Kartons noch lose verschickt. Heute kommen sie auf Palletten, werden stabilisiert und dann verschickt. Lebhaft erinnere ich mich an eine Kollegin, die in meiner Anfangszeit noch die Etiketten von Hand schrieb: Jede Hülse einer Spule bekommt ein Etikett, bis heute ist das so. Bei einem Ausstoß von damals – zwei bis drei Tonnen pro Tag – waren das 2.000 bis 3.000 Spulen täglich, mit 400 Spulen pro Charge. Die Kollegin hat diese Etiketten ALLE von Hand geschrieben, immer 400-mal das identische Etikett und das dann in die Spule geklebt. Unseren ersten Drucker für diese Anwendung haben wir erst Ende der achtziger Jahre bekommen.

Können Sie uns ein Highlight aus Ihrer Otto-Karriere verraten?

Ich erinnere mich sehr gerne an die Ausflüge, die wir mit Otto gemacht haben. Carl-Alexander Otto, der Großvater von Andreas Merkel, hatte ein Haus auf der Reichenau. Dorthin führte mehrfach der Betriebsausflug im Sommer. Eine Schiffsrundfahrt mit festlichem Essen gehörte ebenfalls dazu. Ich habe das genossen; ich mag den Bodensee und die Ausflüge boten eine schöne Gelegenheit, die Kollegen privat kennenzulernen.

Was wird Ihnen im neuen Lebensabschnitt fehlen – und was garantiert nicht?

Wir haben bei Otto ein sehr gutes Betriebsklima, ich bin mit vielen Kollegen wirklich gut zurechtgekommen. Wenn ein Freund oder Bekannter gefragt hat: “Musst Du morgen zum Arbeiten”, habe ich immer entgegnet, “nein, ich darf zum Arbeiten, ich kann arbeiten.” Als ich angefangen habe, 1977, war man froh, überhaupt etwas zu haben und etwas Gutes sowieso. Schließlich gab es viele Bewerber.

Nicht fehlen wird mit der Mangel an Zeit für alles, was neben der Arbeit im Leben so anliegt. Auf dieses Mehr an Zeit für die Dinge, die man bisher ‘noch schnell’ erledigt hat, Rasenmähen, etwas reparieren, freue ich mich. Es ist ein bisschen wie damals, als wir schon wussten, dass wir unsere Gastwirtschaft schließen würden - und die letzten Monate genauso genossen haben wie den Ausblick auf einen neuen Lebensabschnitt.

Max Nestle vom Dietenheimer Garnhersteller Gebrüder Otto